ArchitekTour

25 Baudenkmäler - Ein architektonischer Stadtbummel durch die Wiege Sachsens

Wir laden Sie herzlich ein zu einem architektonischen Stadtbummel durch die Wiege Sachsens.

Mittels häuserspezifischer QR Codes bieten sich faszinierende Einblicke in den Wiederaufbau Meißens als kulturhistorisches Kleinod - denn Meißen ist reich an wertvollen Zeugnissen deutscher Baukultur. Erfahren Sie dabei mehr über die Geschichte ausgewählter, kulturhistorisch besonders bedeutsamer Altstadthäuser, die durch das denkmalpflegerische Engagement von Bund & Land, aber auch privater Bauherren und Vereine in den letzten Jahren wieder zu neuem Leben erweckt werden konnten - oder noch immer darauf warten.

Rosengasse 10

Autor: Tom Lauerwald - Hauseigentümer; Stadtarchivar & Stiftungsverwalter der Otto-und-Emma-Horn-Stiftung Meißen

Klassisches Meißner Handwerkerhaus mit baugeschichtlichen Wurzeln aus dem späten 16. Jahrhundert. Einfühlsam saniert in den Jahren 1994-1998.
Bei der Sanierung wurde auf die spätbiedermeierliche Hebeysche Fassung von 1854 in Bezug auf Putz, Farbfassung und Fensterstruktur orientiert. Als Einfamilienhaus wie ursprünglich genutzt, blieben die Eingriffe in die Hausstruktur überschaubar. Denkmalpflegerisch erhalten blieben u.a. die originalen Türen mit über 300 Jahre alten Schlössern.

Weitere Informationen

Die Rosengasse 10 ist vom Typus ein klassisches Meißner Handwerkerhaus (zu der Entwicklung des Meißner Bürgerhauses hat Albert Rannacher mit seiner Studie 1910 Grundlegendes geschaffen). Im Erdgeschoß ist neben dem Flur straßenseitig der Gewerberaum und rückseitig die (schwarze) Küche. Küche und Arbeitsraum waren ursprünglich nur durch einen Bogen getrennt. Die (einzige) Heizquelle - der Herd - wärmte damit auch die Stube. Schwarze Küchen - also Kochen über offener Flamme - waren in Meißen bis nach 1900 zu finden, Mitte des 19. Jh. war es noch die Regel. Das kann auf zahlreichen Meißen-Stichen von Ludwig Richter entdeckt werden. Es gab Mietshäuser in der Stadt, in denen die (schwarzen) Küchen geschossweise übereinanderlagen (Marktgasse 11, Baderberg 2). In den Obergeschossen befanden sich Stuben und Kammern. Der Dachgeschossausbau zu Wohnzwecken ist in dem Haus im Verlaufe des 19. Jh. erfolgt. In der Zeit kam es im Zuge der Industrialisierung zu einer erheblichen Verdichtung der Baustrukturen in der Altstadt und auch zu einer Zunahme der Bewohnerschaft. Bis weit in das 20. Jahrhundert war die Altstadt ein klassischer Wirtschaftsstandort. Ein Blick in ein Meißner Adressbuch um 1900 reicht, um den grundlegenden Wandel innerhalb von 100 Jahren zu verstehen. So lebten in unserem Haus mit ca. 155 qm Wohnfläche in den 1930-er Jahren 4 Mietparteien mit 15 Personen. Nach 1990 hat sich der Entflechtungsprozess verstärkt fortgesetzt. Die Altstadt wird weitgehend als Wohn- und Handelsstandort wahrgenommen, produzierendes Gewerbe ist nur noch marginal zu finden. Unser Haus hatte übrigens keine Brauberechtigung - aufgrund der Größe war für Bierlagerung, auch im Keller, schlichtweg kein Platz.
Das Grundstück ist für Altstadtgrößenverhältnisse mit 175 qm im unteren Bereich einzuordnen. Das sah im Jahre 1854 noch ganz anders aus. In dem Jahre erwarb der Tischlermeister Friedrich Gottlob Hebey das Grundstück, um dort eine Tischlerei einzurichten. Heute gehört der Werkstattflügel zu dem benachbarten Grundstück Rosengasse 11. Wahrscheinlich fand der Wechsel oder Teilverkauf des Flügels 1919 statt, als Nachfahren des Hebey die Rosengasse 11 erwarben.

Bis zur Aufgabe der Stadtmauer um 1840 war die Verkehrsführung in der Rosengasse anders organisiert, da am Ende der Gasse die Stadtmauer stand. Fußläufig konnte der Seelensteig erreicht werden. Zur Webergasse und Görnischen Gasse führte ein Fahrweg parallel zur Mauer. 1889 wurde mit dem Bau der Jüdenbergstr. begonnen, die sich bis 1902 hinzog. In dem Zuge wurde die überkommene straßenräumliche Situation geschaffen. Dabei wurden auch die Stufen der hangseitigen Grundstücke Rosengasse 7 - 12 in die Hausflucht gezogen, bislang lagen diese alle im Straßenraum. Die Bebauung der Rosengasse hat sich etappenweise entwickelt. Gotische Substanz aus dem 15. Jh. (Kelleranlagen und teilweise aufgehendes Mauerwerk) sind in den Häusern Rosengasse 11, 12 und An der Frauenkirche 3 zu finden. Der durchgängige Straßenzug in der Rosengasse kam erst im Verlaufe des 16. Jh. zum baulichen Abschluss. Über das Kellerkataster des Quartiers können diese Etappen gut nachvollzogen werden; bei den gotischen Hausanlagen korrespondieren die alten Keller mit den ursprünglich giebelständigen Gebäuden. Die Traufdrehung wurde mit neuen baurechtlichen Reglungen ("Meißner Willkühr", 1525/1586) in Meißen in der 2. Hälfte des 16. Jh. eingeführt. Sicher hatten Altgebäude Bestandsschutz. Aber zahlreiche Gebäude auf der Gasse sind erst nach der Einführung der "Willkühr" gebaut worden.

Die überkommene Bausubstanz der Rosengasse 10 stammt aus mehreren Bauetappen. Der Keller und auch die EG-Rückfront (Küche) sind dem späten 16. Jahrhundert zuzuordnen. Bauarchäologische Untersuchungen haben gezeigt, dass der Bau ursprünglich straßenseitig vollständig Fachwerk war. Das Fachwerk im EG ist im Verlaufe des 18. Jahrhunderts ausgetauscht worden und im Obergeschoss durch den grundlegenden Umbau von Tischlermeister Hebey nach 1854. In diese Bauphase gehört auch der Seitenflügel mit der neuen Treppe sowie der Einbau einer neuen Haustür (Auf diese Werkstatt sind wohl auch die Türen der Rosengasse 1, 3, 4, 11, 12 zurückzuführen). 1906 wurde die Rosengasse an die öffentliche Kanalisation angeschlossen. Bis dahin erfolgte die Entsorgung der Oberflächen- und Haushaltwasser über den Ehgraben oberirdisch auf die Straße. Die erste elektrische Energie wurde ab Juli 1897 in die Gasse geliefert.

1994 haben wir das Haus erworben. Wie sah die Sozialtopografie der Rosengasse in diesem Jahr aus? Die Sanierung der Rosengasse 1 und 4 war als erste Bauvorhaben abgeschlossen. Die nicht mehr bewohnbare Rosengasse 12 - die ehemalige Schlosserei Mann - war im Zuge einer Fördermaßnahme mit einem Notdach gesichert worden. In der Rosengasse 2 wohnten noch zwei Ehepaare; die Rosengasse 3 war leer. In der Rosengasse 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 11 wohnte jeweils noch eine Person! Hier zeigte sich deutlich, wie dringend notwendig das nun laufende Verfahren zur städtebaulichen Sanierung der Altstadt war. Es galt, die Altstadt als lebenswerten Raum wieder zu platzieren. Die Rosengasse war eine der ersten Gassen in der Altstadt, die tiefbauseitig saniert wurden, der Abschluss erfolgte 1993.

Im Zuge unserer Sanierung , die sich auf die Jahre 1994 - 1998 erstreckte, wurde auf die spätbiedermeierliche Hebeysche Fassung von 1854 in Bezug auf Putz, Farbfassung und Fensterstruktur orientiert. Ein Meißner Handwerkerhaus eignet sich hervorragend als Einfamilienhaus. Die Eingriffe in die Hausstruktur können damit überschaubar gehalten werden. Im EG wurde eine Trockenbauwand zur Abtrennung für ein kleines Bad eingezogen. Hofseitig gibt es eine neue gesprosste Glastür (die alte Hoftür aus dem 18. Jh. ist am Ende des Flures immer noch vorhanden). Das OG hat keine Veränderungen in der Raumstruktur erfahren. Von der Küche aus wurde ein Zugang auf die Terrasse und den Garten geschaffen (Einbau 2001/2002). In dem Zuge wurde der erdberührte EG-Bereich des Seitenflügels vertikal abgedichtet. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten eine etwas anstrengende Aufgabe: 42 Tonnen Aushub wurden per Eimer über Treppe und Flur in den Container befördert. Die größten Bauschäden zeigten sich im Zuge der Sanierung im Dachbereich. Wir mussten ca. 80% der Sparren auswechseln. Die Reparaturen konnten alle mit Altholz realisiert werden. In Zuge dessen haben wir die Kehlbalkenlage um 20 cm nach oben versetzt, um eine passable Raumhöhe von 2,15 m zu erreichen. Die stehenden Dachgaupen haben wir zur Belichtungsoptimierung gegen Schleppgaupen "ausgetauscht" - beide Formen sind in Meißen traditionell üblich. Zur raumseitigen Dämmung des Dachgeschosses haben wir uns für eine Aufsparrendämmung entschieden. Es ist die bautechnisch sinnvollste Lösung, zugleich wird der Dachstuhl zum Raumelement. Im Dachgeschoss haben wir neben 3 Zimmern auch ein kleines Bad eingebaut. So haben wir hinsichtlich der Sanitärausstattung gegenüber dem Stand vor der Sanierung galaktische Schritte getan. Das "Plumsklo" befand sich zuvor auf dem Hof und das "provisorische" Bad im Erdgeschoss, neben dem Kohlelager. Die ehemalige Klärgrube nutzen wir heute als Wasserzisterne. Türen sind einfach ein bestimmendes Raumelement. So haben wir im gesamten Haus die originalen Türen belassen bzw., wo nicht mehr vorhanden, aufgearbeitete Alttüren eingesetzt. Es ist tagtäglich ein Privileg, Schlösser zu bedienen, die über 300 Jahre alt sind und ihren Dienst noch für Generationen tun werden. Eine wunderbare Vorstellung in unserer so übertrieben hektischen und schnelllebigen Welt. Das muss aber nicht allein auf die Türen beschränkt bleiben. Für meine Familie ist die Altstadt ein lebenswerter Raum. Als Bürger dieser Stadt haben wir unseren persönlichen Beitrag zur Bewahrung der kulturellen Identität Meißens geleistet. Wenn man sich bewusst auf so einen Weg einlässt, kann er als Privileg begriffen werden. Wir sind gleichlaufend davon überzeugt, dass historische Städte gerade für Familien ein wunderbarer Lebensraum sein können. Durch Kinder bekommen die Städte zwangsläufig die erforderliche Vitalität. Das hat über Jahrhunderte funktioniert!